Beschreibung
Die Entscheidung, in Tunesien leben zu wollen, war für den Aussteiger Mike gedanklich kein großes Abenteuer. Er hatte sich auf diese Möglichkeit vorbereitet und konnte erst sehr spät heraus finden, dass es ein riesiger Unterschied war, in einem moslemischen Land Urlaub zu verbringen oder, wie er, eine zweite Heimat in ihm zu suchen.
Immer tiefer wurde er in nicht durchschaubare Aktivitäten eines Glaubensfanatiker hineingezogen, der ihn mit versuchter Magie, Manipulationen durch Vergiftungen und einer Mafia ähnlichen Verbindung zu einer geheimen Organisation fast ums Leben gebracht hätte – wären Mike nicht im letzten Augenblick ein beherzter Tunesier und eine mutige Reiseleiterin zur Hilfe gekommen.
Leseprobe aus „Der Teufel kochte tunesisch”
Mike hatte Nordafrika vor 25 Jahren das erste Mal besucht und war direkt von dieser Landschaft angetan. Im Winter 1971, es war der Beginn von Terrorismus-Aktivitäten in Deutschland, wollte er über Weihnachten einen Kurzurlaub verbringen, um sich von dem Arbeitsstress der letzen Monate zu regenerieren.
Er war im Auslandsimmobilien-Geschäft tätig und flog mehrmals im Monat in Südeuropa umher, prüfte Grundstücke auf ihre Eignung zur Bebauung und verkaufte Ferienhäuser an sonnensüchtige Deutsche. Er war, obwohl in Deutschland geboren und mit deutschen Eltern beglückt, dass, was man einen mediterranen Typ nennt. Schlank, beweglich, mit dunklen Haaren und eher spanisch-französischem Aussehen, spielte er mit dieser Erkenntnis und da er für Sprachen eine Begabung zeigte, hatte er sich schnell zu seinen französischen und englischen Schulvokabeln auch ein wenig Spanisch und Italienisch zugelegt, welches ihm in seinem Beruf sehr zu Gute kam. Jetzt, kurz vor Weihnachten, waren die Reiseangebote eingeschränkt und so entschloss er sich, gemeinsam mit einem Freund Tunesien, ein Land welches er absolut nicht kannte, als Urlaubsziel zu buchen.
Morgens gegen sieben Uhr startete eine Maschine von Düsseldorf und sollte drei Stunden später auf Djerba, einer Halbinsel im Süden Tunesiens, landen. Daraus wurden 15 Stunden Anreise mit Zwischenlandungen in Frankfurt, Zürich und Tunis, jedes Mal verbunden mit langwierigen Gepäck- und Personenkontrollen. Der Aufenthalt in Tunis zog sich mehr als fünf Stunden hin und er beschloss, die Zeit zu nutzen und mit seinem Freund den alten Souk der Hauptstadt zu erkunden.
Spät am Abend durften sie endlich ihre Reise fortsetzen. Es war jedoch eine alte Militärmaschine ohne jegliche Verkleidung im Inneren des Flugzeugs, mit der sie das letzte Stück der Route bewältigen sollten. Man konnte das Gerippe des Flugkörpers sehen und kurz bevor sie starteten, schlug der Flugbegleiter mit einer Notaxt den Riegel der Luke zu.
Kaum in der Luft, brach ein Gewitter los, mit einer solchen Heftigkeit, die Mike so noch niemals erlebt hatte. Die Maschine trudelte und man hörte die Nähte im Inneren knacken und ächzen. Einschließlich der anderen Passagiere saß er, sich angstvoll an den Sitz klammernd, vollkommen starr und hoffte, möglichst schnell und heil zu landen.
Der Regen prasselte weiter und als der Stahlvogel die Rollbahn berührte, schlingerte er und rutschte weit über das Feld bis er sich, quer stellend, fing. Den Weg zum Flughafengebäude mussten sie laufen und kamen völlig durchnässt in der Halle an. Nach langatmigen Passkontrollen und ermüdendem Suchen der Gepäckstücke, wurden sie von mürrischen Taxifahrern in alte Karossen gestopft und los ging die Fahrt in eine schwarze Nacht. Mike verging die Urlaubsfreude und er wäre auf der Stelle zurück geflogen, hätte es einen Flug zu dieser Zeit gegeben. Die Fahrt schien endlos und führte über einen Damm, welcher die Insel mit dem Festland verband. Sie erreichten ihr eigentliches Ziel: Zarzis, ein kleiner Touristenort im Süden Tunesiens.
Am nächsten Morgen zeigte sich das Land von seiner schönsten Seite. Strahlend blauer Himmel, frisch gewaschene Palmen und weiß gekalkte Häuser blitzten in der Wintersonne und die Strapazen des letzten Tages waren verflogen. Tunesien hatte auch in diesem Winter sehr kalte Nächte und nur mäßig warme Tage. Es waren keine langen, ausgedehnten Sonnenbäder möglich und die Hotelanlage, sie bestand aus einzelnen Bungalows, welche sich um ein zentrales Haupthaus mit Speisesaal, Bar und Leseräumen zentrierten, wirkte auf Mike eher langweilig. Das internationale Publikum, überwiegend Engländer und Franzosen, war meist älteren Semesters und beschränkte sich, wie heute noch üblich, mehr auf die Ferienanlage. Es gab in der Überzahl Gäste, die 14 Tage keinen Fuß über die Hotelgrenze setzten.
Mike erkundete lieber die Umgebung des relativ einsam gelegenen Komplexes und schloss schnell Kontakt zu den Einheimischen. Zu dieser Zeit gab es, mit wenigen Ausnahmen, nur für öffentliche Gebäude Strom. Nachts war die ganze Umgebung in ein tiefes Dunkel gehüllt und ließ die Palmen und die Umrisse der vereinzelt gelegenen Berberhäuser sehr romantisch erscheinen. Er hatte zum ersten Mal die Vision der Geburt Jesu vor Augen und konnte sich in die Situation der flüchtenden Familie, auf einem Esel durch die kalte Nacht reitend, hineinversetzen.
Die Straßen waren Sandpisten, gesäumt von vereinzelten Palmen und Schafställen. Mike fielen tagsüber die verstohlen am Straßenrand hockenden Gestalten auf, welche betont unauffällig ihre Zigarette rauchten. Es stellte sich heraus, dass sie ihre Notdurft verrichteten. Da die Luft jedoch sehr trocken war und überall Sand der Wüste lag, konnten die Geschäfte schnell verwischt werden und niemand störte sich daran. Auch er gewöhnte sich rasch an diesen Anblick. Außerhalb der Clubanlage gab es weder Cafés noch Geschäfte. Die einzigen Autos, welche ab und zu über die Piste fuhren, waren Taxen. Ansonsten rumpelten Holzkarren mit vorgespannten Mulis vorbei.
Der ganze Ort lag in einer Oase, berühmt für die vielen Dattelpalmen und Olivenhaine, welche ringsum angelegt, die Landschaft mit auslaufenden Hügeln zum Landesinneren hin begrenzten. Sie ermöglichten den Menschen ein sehr bescheidenes Auskommen und die ersten Ansätze eines sich entwickelnden Tourismus unterstützte dies. Hier erlebte Mike einen Urlaub, der sein weiteres Leben mit prägen sollte.
Er hatte tiefe Einblicke in die faszinierende Welt des Orients erhalten. So bekam er eine Einladung zu einer Hochzeit und war dieser mit Freude gefolgt. Eine Karawane von Esel gezogenen Karren, angeführt von einer Musikgruppe und einem Kamel, zockelte zum Hause der Braut. Das Bild vom Tamtam dieser Berber Hochzeit, mit den rot-weiß gekleideten Trommel-Tänzern, verbunden mit dem Kamel hoch beladen mit Brautgeschenken, fixierte sich in seine Erinnerung. Die Braut, gefärbt mit Henna und in prächtige blau-goldene Schleier gehüllt, auf einem Eselkarren sitzend, beleuchtet von der fahlen Wintersonne und gefolgt von der Hochzeitsgesellschaft, blieb ihm unvergessen.
Er erhielt Einladungen zum Tee in die kargen Behausungen der Einheimischen und die Gespräche welche geführt wurden, ein Radebrechen auf englisch, französisch und damals schon, ein wenig deutsch, waren von erstaunlicher Philosophie und die Berber beschämten ihn mit ihrem Wissensdurst und den Kenntnissen von der Welt, ohne die Möglichkeit, diese bereisen zu können. Mike wurde in verschiedene Familien als Gast gebeten und war über die Herzlichkeit dieses Volkes immer wieder erstaunt. Er behielt die Eindrücke an die klare Luft und die Gerüche von Kameldung, vermischt mit Eukalyptus und Sand, stets in seiner Erinnerung und konnte sie jederzeit abrufen.